7 + 1 Fragen an: Andreas Kothe*

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Foto: R.-H. Bothe
Foto: R.-H. Bothe

1. Wer bist Du? Beschreib Dich in einem Satz!

Es schillerte – in seinem Untergang – das kleinstädtische Bürgermilieu, in dem ich, Andreas Kothe*, aufwuchs, zu einem „inneren Außenseiter“, der in einer – ihm selbstverständlichen – Unsicherheit lebt.

2. Warum lohnt es sich, eine Performance von Dir zu besuchen?

Eine Performance von mir „zu besuchen“ lohnt sich vor allem für Menschen, die Zeit zu verschwenden haben, also im besten Sinne „Freizeit“, die sich ohne Angst vor dem Verlust lebensnotwendiger Dinge (realer oder eingebildeter) auf einen offenen kreativen Impuls einlassen wollen (können), der sie vielleicht ermutigt, eigenen schöpferischen Impulsen nachzugeben, sich verrücken zu lassen.

Allerdings lohnt es sich nicht, zu meinen Performances extra aus großer Ferne anzureisen. Der Preis wäre einfach zu groß. Meine Arbeit verstehe ich im Sinne einer Regionalisierung auch von Kunst, also für den Ort und die Zeit gedacht, wo sie stattfindet,  für die, die eher zufällig Zeugen werden, oder die, die ohne zusätzliche ökologische Kosten vorbeikommen können.

3. Welche Performance möchtest Du hier präsentieren und warum?

Seit 2010 arbeite ich mit Einer von Denen zusammen. Sein frappierender Name ist auch das Motto der Arbeit.

Genau genommen handelt es sich dabei um keine einzelne abgeschlossene Performance, sondern ein Lebensprojekt von Einer, eine „work in progress“.

Den Anfang machten wir im Mai 2011 mit einer Ganztagesperformance in Braunschweig. Das Thema war „an embryo mystic“. Seit dem fanden drei weitere Performances statt. Alle in Braunschweig.

Die äußere Form: Einer kommt in einem Ganzkörperanzug mit Schreibmaschine auf einem Bollerwagen von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang zu einem vorher festgelegten Thema auf einen öffentlichen Platz … (Diese Form ist natürlich wandelbar.)

Ich selbst trete bei dieser Arbeit in den Hintergrund, bin Produzent, Organisator, Öffentlichkeitsarbeiter, Gesprächspartner, Mitlesender, Dokumentierer, Freund …

„Auf dem Platz“ ist dann nur Einer von Denen.

Warum ich diese Performancereihe hier präsentiere? Weil es auf unabsehbare Zeit eine Hauptarbeit von mir sein wird. Der Vertrag zwischen Einer und mir endet erst mit dem Tode von einem von uns.

Konkret sei hier auf die Dokumentation des erste Auftritts vom 20.5.2011 hingewiesen:

Einer von Denen’s Aulasaukaulalakunst: „an embryo mystic“

(da – am Anfang – waren wir uns selbst noch ein mysteriöses, entwicklungsfähiges Embryo)

4. Was war Dein spannendstes Kunsterlebnis?

Das war eindeutig meine Teilnahme an der Transitstation in Kopenhagen im Frühjahr 2010.

Im Englischen gibt es den Begriff „to become full circle“. Es bedeutet etwa, eine Erfahrung in ihrer ganzen Fülle gemacht haben, etwas durchlebt zu haben, das ein Gefühl von Vervollkommnung zurücklässt. Das habe ich im Rahmen der 4. Transitstation erlebt.

Ich zitiere von der Web-Site transitstation.de

„(…) Transitstation ist non-stop Kunst in Aktion in Kunst, wie eine Kette fortlaufender Situationen in zweimal 12 Stunden an einem Wochenende.

Künstler neben Künstler neben Kunstwerk neben Betrachter neben Künstler neben Bild neben Aktion … (…)

Im räumlichen Mittelpunkt steht die Skulptur: ein Baugerüstsystem mit verschiedenen Ebenen, Aufgängen und Abgängen. Der Betrachter wird Teil eines Konzeptes auf die gleiche Weise, wie der agierende Künstler selbst. (…)

Transitstation bedeutet dynamische Zusammenarbeit zwischen internationalen Künstlern und Künstlerinnen. Die Teilnehmergruppe ist immer wieder neu.“

Dort reiften (und fielen) Früchte jahrelanger künstlerischer Betätigung: meine intensive Begegnung mit dem Werk der dänischen Dichterin Inger Christensen seit 2003, die Erfahrungen mit Performances u.a. bei Kunstwirkstoff-Veranstaltungen in Jerxheim-Bahnhof, die Arbeit mit den Literaturabenden in der Jazzkneipe „Baßgeige“ u.v.m. …

In Vorbereitung meines Beitrages zur Transitstation, traf ich 2009 Hanns Grössel, den Übersetzer von Inger Christensens Werken. Ich verbrachte dann vier Wochen in Kopenhagen, wohnte in einem kleinen Bauwagen im „Freistaat Christiania“, streifte durch die Stadt auf den Spuren der Dichterin, die in Kopenhagen gelebt hatte und erst ein Jahr zuvor gestorben war. Ich geriet bei der Formung meiner Performance in immer größere Schwierigkeiten, hatte schlimme Selbstzweifel. Erst ein kurzes, aber tief verbindendes Gespräch mit Inger Christensens Sohn in der Cafeteria des Staatlichen Kunstmuseums befreite mich davon und ermöglichte mir eine wirklich transformierende Kunsterfahrung.

Dabei war mein Beitrag am Anfang der zwei Tage nur ein kleiner Teil dieser Erfahrung.

Ich würde es heute so beschreiben: Ich befand mich ganz tief drin, in Kunst.

Nicht wie in einem Glück, das auch, aber viel eher in einem Kraftfeld, das verunsicherte, öffnete, Mut zu einem Bleiben in Unsicherheit machte, wodurch Stärkung einer eigenen beweglichen Sicherheit geschah und Vertrauen wuchs in große unbewusste Bereiche, wo verwirrende Eindrücke auf gute Weise aufgehen und sich in Lebenskräfte umsetzen können … schwer zu beschreiben. Danach?

Das Reifen und Fallen von Früchten hat auch was Regressives, oder freundlicher formuliert, Verjüngendes. Ein neuer Kreislauf begann. Das war im gewohnten Alltag eine Weile schwer auszuhalten …

Was aus „dem Gefallenen“ dann aufwuchs war u. a. Einer von Denen.

5. Wo findet man Dich im Internet?

Einer von Denen und ich haben auf youtube einen Kanal eingerichtet, der leicht zu finden ist, wenn PAXKORAX ins Suchfenster oben eingegeben wird.


Ein Abo unseres Kanals für alle, die selbst einen Account bei youtube haben, wäre nicht allzu gefährlich (im Sinne einer dann folgenden Aufforderungsflut, sich unsere Filmchen anzusehen). Wir arbeiten sehr langsam … bemüht jeden jesusartigen Selbstopferungsreflex angesichts der Entwicklungen im Kleinen wie im Großen wegzuatmen. Wer’s versteht – willkommen. Außer dem?

Einer von Denen ist auch auf facebook, wo ‚Freunde’ über Aktionen und Veröffentlichungen informiert werden können. Freundschaftsanfragen von Unbekannten mit dem Stichwort ‚paxkorax’ bestätigt er gerne – mit Dank für’s Interesse und Interesse an Austausch.

6. Welche Unterstützung wünschst Du Dir von der Stadt Braunschweig?

Außer dem Wunsch, die Abteilung Liegenschaften der Stadt Braunschweig und die Stadtmarketing GmbH mögen unseren Anträgen auf Sondernutzung öffentlicher Flächen weiterhin mit Nutzungsvereinbarungen entgegenkommen – keine.

7. Welche Botschaft hast Du mit Deiner Kunst?

„Zeit-Verschwendung“ und „Transformation of Waste“ sind zentrale Ideen hinter meiner Arbeit. Wer sich darauf einlässt, der, so hoffe ich, lässt sich auf die Ängste vor Sinn- und Zwecklosigkeit ein, entwickelt Mut zur „Dysfunktion“ und einen starken Zorn gegen alle allzuklar formulierten Bekenntnisse und Festschreibungen.

Ich weiß, dass ich aufgrund meines eigenen Alltagslebens von vielen Zwängen, in denen meine Mitmenschen sich befinden, gar keine richtigen Vorstellungen habe, denke aber doch, dass eine kritische Auseinandersetzung mit diesen Zwängen für uns alle überlebensnotwendig ist. Wir werden zunehmend von den systematisch sich verstärkenden Zwängen gelebt und erzwungenes Reagieren (auch im Bereich der sogenannten Creative Economy) ersetzt frei gewolltes Agieren.

Darum haben viele meiner / unserer „Darbietungen“ etwas Randständiges, Protesthaftes. Eine Rolle, die heute ganz verpönt ist, scheint jedenfalls immer durch – die des Opfers.

+ 1. Willst Du von Deiner Kunst leben?

Nicht im Sinne von Einnahmen, die helfen, meine Körperfunktionen aufrecht zu erhalten. Das strebe ich nicht an. Dafür habe ich Erwerbsarbeit, die ich gerne tue in Bereichen, die für das gewachsene Wirtschafts- und Herrschaftssystems relativ unbedeutend sind, die diesem zum Teil auch zuwider arbeiten.

Aber ich mach mir keine Illusionen.

Die Erwerbsarbeit mache ich auch, um meine Kunst damit zu finanzieren.

(Einer von Denen steckt ebenfalls einen großen Teil seiner Minirente in diese Arbeit).

Ich betrachte das als „Transformation of Waste“. Ich gebe wahrscheinlich 60 – 70 % des Geldes, das nach Deckung meiner Grundbedürfnisse übrig bleibt, für Kunst aus. Nicht nur für die eigene.

In meinem Denken ist Geld = „Waste“, Abfall, an sich wertlos. Es muss verwandelt, „transformiert“ werden – in Werte, Bewusstheit, Kultur, freies Leben (evtl. sogar mit Zukunft).

Für mich kommt es nicht in Frage, nur Kunst zu machen. Ich habe sogar ein ungutes Gefühl bei jeder weitergehenden Spezialisierung, Professionalisierung, Ausdifferenzierung… Ich fürchte, dass trotz der vielen superbeeindruckenden Einzelleistungen, sich das Ganze nicht mehr halten lässt.

Darum investiere ich mein freies Geld (und auch alles, was die Kunst einbringt) in das, was meiner Meinung nach zunehmen soll.

Die Euros für Audio-CDs, DVDs, Postkarten, Plakate und Spenden, die wir über Einer von Denens Arbeit einnehmen gehen zu 100% an das „John-Cage-Orgel-Kunst-Projekt“ in Halberstadt.

So verstehen wir „Transformation of Waste“. Die Erfahrung, die wir in unserer Kunst machen – wie auch immer sie sei – ist das wovon wir als Künstler leben (und sterben). Die Energie, die dabei entsteht (und sei es in Form von „Waste“) wollen wir umwandeln, damit solche Erfahrungen für uns und andere weiterhin möglich bleiben.

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